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Greta Hoffmann ist wohnhaft im Internet, wie sie selbst sagt. Mit der Müll AG, ihrem Abschlussprojekt an der HfG Karlsruhe, hat sie ein Game zur richtigen Mülltrennung entwickelt. Aktuell promoviert sie im Bereich Game Design und weiß, warum Gamification in Unternehmen nicht wie ein Betriebsausflug funktioniert und was die Gamesbranche wiederum von anderen Wissenschaften lernen kann, um selbst innovativ zu bleiben.
Welche Rolle spielen Games, wenn es um nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen geht?
Der Impact, den Games haben, ist im Endeffekt der gleiche, den Stories, Geschichten und Narrative schon immer hatten - es geht darum, dass eine Facette der Welt abstrahiert und heruntergebrochen wird in eine Geschichte oder im Falle von Games, in ein System. Ein Spielsystem kann eine Story haben, muss aber nicht. Tetris ist beispielsweise nicht Storytelling basiert - aber: selbst hier kann man die Metapher eines Arbeitsalltags ableiten, bei dem immer neu geformte Aufgaben von oben dazukommen. Und die Frage ist, wie gut kannst du organisieren und die Aufgaben so effizient abarbeiten, dass du möglichst lange in der Lage bist, um hinterherzukommen. Die Größe des Feldes ist also die limitierte Kapazität. Die Performance kann man trainieren. Denn unsere Gehirne sind Pattern-basiert, gelernte Muster werden angewendet, um möglichst effizient zu sein. Diesen Lerneffekt kann man natürlich auch durch Serious Games wie die Müll AG trainieren: Wie geht Mülltrennung richtig?
Wie nachhaltig ist der Impact von Serious Games wie der Müll AG, konntest du das messen oder validieren?
Ein Game kann natürlich kein globales Problem lösen. Die Müll AG kann aber einen kleinen Beitrag leisten, dass die Müllproblematik in unserer Wegwerfgesellschaft und der Wert von Mülltrennung und Recycling überhaupt erkannt werden und sich Kinder damit spielerisch auseinandersetzen. Wir haben ein Laborexperiment mit 160 Studierenden gemacht, bei dem herauskam, dass die Testpersonen, welche die Müll AG gespielt haben, nach einer Retentionsphase von zwei Wochen einen besseren Lerneffekt hatten als die Testpersonen, die nur mit den Materialien, die das Amt für Abfallwirtschaft Karlsruhe zur Verfügung stellt, gelernt haben. Leider haben wir den Test nicht mit Schulkindern durchgeführt. Um hier ein valides Ergebnis zu bekommen, ist der Aufwand recht hoch. Es wäre aber sehr spannend, wenn Hochschulen und Förderinstitutionen nicht nur in die Entwicklung von Games investieren würden, sondern noch mehr in Medienwirkungsforschung. Gerade bei Serious Games, die im Bildungskontext eingesetzt werden können, wäre das sehr sinnvoll, um künftig mehr alternative Lehrmittel anbieten zu können.
Apropos neue Methoden: Alle sprechen von Gamification - aber wie können Unternehmen solche Ansätze sinnvoll und nachhaltig in den Arbeitsalltag einbauen?
Bei Gamification geht es um die Anwendung von Spielelementen in Nichtspielkontexten. Zum Beispiel im Bildungskontext oder Arbeitsumfeld und um die Fragen, wie können Menschen besser lernen oder motivierter arbeiten usw.? Viele Unternehmen gehen davon aus, dass allen Mitarbeiter*innen das gleiche Spiel Spaß macht. Um Gamification nachhaltig in ein Unternehmen zu integrieren, muss man aber verstehen, dass es ganz unterschiedliche Spielertypen gibt und jede*r Mitarbeiter*in in einem anderen Setting aber auch ein anderer Spielertyp sein kann, wenn andere Bedürfnisse in den Vordergrund treten. Das heißt, man muss auch die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter*innen kennen. Gamification sollte daher fest in der Unternehmenskultur verankert sein und nicht als allgemeines Add on angeboten werden.
Und was kann die Gamesbranche von anderen lernen?
Was mir seit einigen Jahren schon auffällt ist, dass es fast nur noch Klone von Klonen gibt. Die Unterhaltungsbranche kopiert sich permanent gegenseitig. Da werden aus Comics Spielfilme und aus Filmen Games und umgekehrt. Eventuell wechselt man dabei mal das Genre, aber mehr passiert meist nicht. Mein Eindruck ist, dass die Innovationskraft nachgelassen hat. Das Problem, das ich sehe ist, dass viele Gamedesigner und UX Designer sich nur innerhalb ihrer Branche inspirieren lassen und nicht genug über den Tellerrand hinausschauen. Es fehlt hier an Interdisziplinarität. Wenn du innovativ sein möchtest, dann such dir das Thema, das dich am allerwenigsten interessiert. Beispielsweise wäre es super spannend mehr mit den Naturwissenschaften zusammenzuarbeiten. Mit Biologen zusammen ein Tier oder eine Gruppe an Tieren wie ein Bienenvolk herauszugreifen und die Verhaltensweisen von Bienen in mathematische Formeln zu übertragen, sodass User diese in einem Game spielen können. In solchen Projekten liegt sehr viel Potenzial für beide Seiten, das sollten wir mehr nutzen!
Das Interview führte Rebecca Raab